Dienstag, 24. Juli 2012

Ist ein Treppenlift eine außergewöhnliche Belastung? Lässt sich so die Einkommenssteuer senken?

Hilfreich: Treppenlift (Modell von Lifta)
Diese Fragen griff Rechtsexperte Robert Kracht in der Wirtschaftszeitschrift CAPITAL im Jahr 2011 auf. Grundlage für seine Berichte waren zwei höchst unterschiedliche Urteile deutscher Gerichte. So viel vorneweg: Wenn Sie einen Treppenlift anschaffen wollen, sprechen sie auf jeden Fall mit Ihrem Steuerberater über das Vorhaben und prüfen Sie, ob eine Schwerbehinderung bei den Personen vorliegt, die den Treppenlift benutzen werden. Im Zweifelsfall sollten Sie bei der Durchsetzung Ihrer Forderungen einen Rechtsbeistand (Anwalt) einschalten.


Fall 1 mit Urteil: "Treppenlift ist keine außergewöhnliche Belastung und daher nicht bei der Einkommenssteuer zu berücksichtigen!"

Der Fall: Ein Ehepaar installierte einen Treppenlift im selbst genutzten Haus. Die Kosten hierfür wollte es als Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend machen. Dem zuständigten Finanzamt lag ein ärztliches Attest des Internisten und des Hausarztes vor. Inhalt: Beim Ehemann besteht eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Selbst das Zurücklegen kurzer Strecken ist für ihn ohne Hilfsmittel wie Rollator oder Rollstuhl nicht möglich. Gehversuche sind für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden, das Treppensteigen geht gar nicht. Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben.

Das Urteil: Mitte Mai 2011 entschied das Finanzgericht Münster, die Kosten für die Anschaffung eines Treppenlifts steuerlich nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen (Az. 14 K 2520/10). Begründung: Solche Aufwendungen entstehen gerade nicht zwangsläufig. Diese Voraussetzung liegt nur vor, wenn sich ein Bürger ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ein Treppenlift dient nach Einschätzung der Münsteraner Richter aber der Steigerung des Lebensstandards.

Hintergründe: Weiter sagte das Gericht: Die Aufwendungen des Treppenlifts sind in der Höhe des Existenzminimums durch den steuerlichen Grundfreibetrag von derzeit 8004 Euro abgegolten. Doch grundsätzlich ist eine Ermäßigung der Einkommensteuer möglich, wenn einem Bürger zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Personen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie einem identischen Familienstand erwachsen.


Dennoch muss das Finanzamt die Aufwendungen für den Einbau des Treppenliftes nicht als außergewöhnliche Belastung anerkennen, betonten die Richter. Das Ehepaar hat nämlich nicht nachgewiesen, dass die getätigten Aufwendungen für die Hilfe zum Aufstieg im Haus zwangsläufig entstanden sind. Zudem sei ein Treppenlift ohnehin nur als medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinne anzusehen. Treppenlifte, so heißt es im Urteil, werden durchaus auch von gesunden Menschen zur Steigerung des Lebensstandards oder zur Erleichterung der Erledigung häuslicher Verrichtungen angeschafft.

Dies gelte insbesondere für Personen im hohen Alter, die einen solchen Lift als Mobilitätshilfe nutzen, ohne allerdings zwingend auf ihn angewiesen zu sein. Das hatte bereits der Bundesfinanzhof im Jahr 2006 so entschieden (Az. III B 107/06). Außerdem ist ein solcher Lift auch durch den nicht gehbehinderten Ehepartner und mögliche andere betagte Hausbewohner nutzbar.

 

Fall 2 mit Urteil:  "Dringend benötiger Treppenschräglift im steilen Garten kann von 90 Prozent schwerbehinderter Frau steuerlich geltend gemacht werden."
Der Fall: Eine stark gehbehinderte Frau benutzt einen Treppenlift, um in ihren Garten zu gelangen. Sie ist aufgrund einer außergewöhnlichen Gehbehinderung zu 90 Prozent schwerbehindert (Merkzeichen G und aG) und bewohnt seit ihrer Kindheit ein Wohnhaus auf einem Hanggrundstück mit Garten. Sie wollte die Kosten für den Lift steuerlich absetzen. Das Finanzamt erkannte aber nur einen kleinen Teil der Kosten an, der sich aber nach Abzug der nach dem individuellen Einkommen bemessenen zumutbaren Belastung steuerlich nicht auswirkte.Die Betroffene klagte beim zuständigen Finanzgericht – und bekam Recht.

 Das Urteil: Der 4. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg hat in einem 2011 veröffentlichten Urteil (9. Juni) klargestellt: Eine stark gehbehinderte Frau darf die Kosten für den Einbau eines Treppenschräglifts im Garten – hier waren es über 60.000 Euro – als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen kann (Az. 4K 2647/08).

Hintergründe:
Das Gericht argumentiert im Urteil gegen das Finanzamt. Bei dem Treppenschräglift handelt es sich demnach um ein medizinisches Hilfsmittel, dessen "Nutzung durch die Frau für das Treppensteigen angesichts ihrer außergewöhnlichen Gehbehinderung unzweifelhaft erforderlich ist". Dem Gericht ist es egal, dass der Lift nicht im Wohnhaus, sondern im dazugehörigen Garten eingebaut wurde. Die Nutzung des Gartens ist nach Ansicht der Richter kein entbehrlicher Luxus, sondern "sozialadäquat". Man kann von der Steuerzahlerin weder verlangen, von dem seit ihrer Kindheit bewohnten Hanggrundstück wegzuziehen, noch den Garten nicht mehr zu nutzen.

Zudem ist der Steuerabzug als außergewöhnliche Belastung nicht auf die unmittelbare Nutzung innerhalb des Wohnbereichs beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Nutzung des Gartens. Denn der Zweck des Treppenschräglifts liegt darin, die Behinderung erträglicher zu machen - unabhängig davon, ob der Treppenlift innerhalb der Wohnräume oder in dem zum Wohnhaus gehörenden Garten angebracht wird.

Ob es sich dabei um ein medizinisches Hilfsmittel handelt, das nicht nur von erkrankten oder behinderten Menschen genutzt wird, sondern auch anderen Personen den Alltag erleichtern kann, war für die Richter unerheblich. Auch sind die Anschaffungskosten des Treppenschräglifts sofort in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abzugsfähig – und nicht auf die Dauer der voraussichtlichen Nutzung abzuschreiben.


Juli 2012. Frank Bantle/Redaktion pflegeinfos.net
Copyright Foto: Firma Lifta, www.lifta.de

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