Das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg als Träger von 18 Altenhilfeeinrichtungen und mobilen Dienstleistungen konnte jetzt erste Praxiserfahrungen sammeln: Unter dem Begriff SmartHome-Technologie hat sich ein innovatives Geschäftsfeld rund um Haustechnik etabliert. So kann der Eigentümer oder Mieter via Smartphone von unterwegs aus die Heizung steuern – und eines Tages sogar Gefriergut im intelligenten Kühlschrank auftauen lassen, ehe er nach Hause kommt.
Mittels solcher Gebäudeautomations- und Interaktionstechnologien (auch technische Assistenzsysteme genannt) könnten in Zukunft Wohnungen von alten und pflegebedürftigen Menschen „überwacht“ und die Personen besser betreut werden. Vielversprechende Praxiserfahrungen sammelte das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg. Es testete gemeinsam mit dem Forschungszentrum Informatik (FZI) aus Karlsruhe ein technisches Assistenzsystem im Karl-Walser-Haus in Ludwigsburg. Acht Objekte aus dem Betreuten Wohnen wurden mit Sensoren für Bewegung, Feuchtigkeit und Kontakte ausgestattet. Sie informieren bei Problemsituationen oder bei außergewöhnlichem Verhalten die zuständige Betreuungsperson per SMS oder über das im Pflegeberatungsprogramm „CareCM“ integrierte Warnsystem. Neben den Bewohnern waren die Koordinatorin des Betreuten Wohnens sowie der dort ansässige Mobile Dienst an der mehrmonatigen Testphase beteiligt.
Hintergrund: Die häusliche Pflege wird angesichts steigender Klientenzahlen, des Fachkräftemangels sowie sozialer Probleme (überforderte Angehörige!) zu einer Herausforderung für die Gesellschaft und insbesondere für die Träger der Altenhilfe. Auch beim Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg ist man sich einig, dass menschliche Zuwendung nicht durch Maschinen ersetzt werden kann – aber wo intelligente Technologien für Entlastung von Betreuern oder pflegenden Angehörigen sorgen, sollte ihr Einsatz wertfrei geprüft werden.
Fall-Management-Software erfasst alle Daten
Wie lief der Test im Ludwigsburger Karl-Walser-Haus ab? Die weißen Sensoren wurden überall in den Wohnungen installiert, am Bett, an der Haustüre oder beim WC, am Kühlschrank oder der Besteckschublade. Und sie gaben Meldung, wenn sich zum Beispiel ein Mieter über einen bestimmten Zeitraum nicht mehr in der Wohnung bewegt hat oder die Verweildauer im Bad länger als sonst üblich war. „Das Regelwerk der Warnungen basierte auf vordefinierten Schwellenwerten, die aber individuell angepasst werden können“, berichtet Tibor Vetter, der zuständige Projektleiter im Wohlfahrtswerk. So ging das Team davon aus, dass eine Person zwischen 23 und 7 Uhr schläft. Aktivitäten in dieser Zeitspanne wurden daher als ungewöhnlich erfasst und sorgten für Nachfragen beim Betroffenen.
Alle Informationen gelangten über eine Fall-Management-Software an die Adressaten. Dies könnten im Regelbetrieb Angehörige oder Pflegedienste sein – oder eine rund um die Uhr besetzte Alarmzentrale. „In einem Fall konnten wir über die Technik herausbekommen, warum ein Mieter plötzlich immer müde war“, erzählt die im Karl-Walser-Haus tätige Koordinatorin Susanne Riesch. Der Sensor meldete ihr per SMS, dass seit einigen Tagen der Vorratsschrank mit der Sprudelkiste nicht mehr geöffnet wurde – der Mann hatte zu wenig getrunken.
Frühwarnsystem gibt Bewohnern Sicherheit
Entsprechend positiv äußerten sich die Pflegekräfte des Mobilen Dienstes in der Einrichtung: Die technische Unterstützung sei gerade in einer kritischen Situation hilfreich, etwa bei einem Sturz. Die zu benachrichtigende Person könne so schnell Hilfe organisieren. Als Rückmeldung von den Probanden kam, dass sie vor allem das Gefühl der Sicherheit schätzten. Während der Testphase wurden über 100 Warnungen in den Wohnungen angezeigt. Die meisten bezogen sich auf eine längere Verweildauer in Schlaf- und Badezimmern – meist aufgrund individueller Gesundheitsprobleme.
Neben der passiven Rückmeldung via Sensor umfasste das Projekt auch ein aktives Element: Die Teilnehmer erhielten einen Tablet-PC, den sie via Touchscreen bedienten. Gut lesbare, vorformulierte Sätze leisteten Hilfestellung: „Ich bin gestürzt“ oder, „Mein Gesundheitszustand hat sich verändert“ oder „Ich habe die Wohnung verlassen“ (die häufigste Rückmeldung). Diese Tagebucheintragungen wurden während der Erprobungsphase täglich kontrolliert. „Mit dem Tablet-PC wäre es möglich, auch Internettelefonie via Skype zu betreiben, Wetterberichte oder lokale News zu empfangen“, beschreibt Tibor Vetter den Mehrwert der Anwendung. Er verweist zudem auf zukünftige Features – etwa die Übermittlung von medizinischen Daten (Blutdruck, Diabetes) über den Tablet-PC an Ärzte.
easyCare erfolgreich erprobt – Weiterentwicklung geplant
Am Ende des Projekts easyCare erfolgte eine Befragung aller Beteiligten. Das Team wollte wissen, ob das Assistenzsystem akzeptiert wurde und wo der optimale Nutzen für Bewohner und Betreuer liegt. So lautet das Fazit:
• Mit dem Assistenzsystem eröffnen sich neue Produkt- und Serviceangebote für die häusliche wie stationäre Pflege. Das easyCare-System kann problemlos in Privatwohnungen eingesetzt werden.
• Einige der Testmodule können in bereits bestehende Dienstleistungen integriert werden.
• Pflege- und hilfebedürftige Personen können länger ein selbstständiges Leben führen. Angehörige erlangen Sicherheit und müssen nicht ständig vor Ort sein.
• Die Sensoren sorgen für ständige und schnelle Informationen – im Vergleich zum Hausnotruf.
• Für Fachkräfte in der Altenpflege ergeben sich durch die bequemen und mobilen Kontroll- und Warnfunktionen zeitliche und arbeitspsychologische Vorteile.
• Das Assistenzsystem bietet Erweiterungsmöglichkeiten wie z.B. Integration von Hausnotruf, gebündelte Warnmeldungen für Pflegekräfte oder die Meldung, wenn eine Person länger die Wohnung verlässt (Urlaub oder Weglauftendenz).
Für das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart steht fest: Aufgrund der positiven Rückmeldungen der Testpersonen sowie der guten Zusammenarbeit mit dem FZI und der Koordinatorin des Betreuten Wohnens wird eine eigenständige Weiterentwicklung der Technologie und der neuen Dienstleistungen angestrebt.
Informationen über alle deutschen AAL-Projekte finden Sie hier: www.aal-deutschland.de
Mai 2013. Frank Bantle/Redaktion pflegeinfos.net
Copyright Fotos: PR
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen